Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
herzlichen Dank für das angenehme Gespräch am 9. Oktober am Rande des Treffens mit der Arbeitsgruppe Kommunalpolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Sie haben mich gebeten, meine politische Arbeit sowie wesentliche Herausforderungen in der Grenzregion Saar-Lor-Lux zu übermitteln, die auch meinen Wahlkreis Trier/Trier-Saarburg betreffen. Dieser Bitte komme ich sehr gerne nach.
Deutsch-Luxemburgische Zusammenarbeit als Leuchtturmerfahrung in der KI
Das Thema „Künstliche Intelligenz“ liegt mir nicht erst seit meinem Bundestagsmandat am Herzen. Ich habe fast 20 Jahre als Ingenieur in der Entwicklung von Sensoren bei dem Luxemburger Unternehmen IEE gearbeitet und zahlreiche Erfindungen vorangetrieben, die Systeme künstlicher Intelligenz enthalten bzw. nutzen. Meine Entwicklungen im Bereich der Fahrzeuginsassenerkennung und Airbagsteuerung fanden unter anderem in Produkten von Daimler, BMW, Ferrari, Chrysler und GM Anwendung. Für den Sportartikelhersteller Nike entwickelte ich im Rahmen einer Innovationsinitiative einen speziellen Schuhsensor. Auf viele Erfindungen besitze ich Patente in der EU, in China und den USA.
Dabei spielte die Kooperation zwischen Forschung und Wirtschaft stets eine bedeutende Rolle. IEE arbeitet bei ausgewählten Projekten mit der Universität Trier, der University of Luxembourg und dem DFKI Saarbrücken zusammen – ein positives Beispiel für grenzüberschreitende Kooperation. Heute, als Berichterstatter unserer Fraktion für Künstliche Intelligenz sowie Mitglied der Enquete-Kommission für KI, begleite ich dieses Thema politisch und habe zum Ziel, sowohl die Rahmenbedingungen zu verbessern als auch die gesellschaftliche Akzeptanz zu stärken.
Die Erfahrungen, die in der deutsch-luxemburgischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Forschung und Entwicklung unter anderem in der KI gemacht wurden, könnten meines Erachtens als Blaupause bzw. Leuchtturm für die deutsch-französische Zusammenarbeit im Bereich künstliche Intelligenz genutzt und weiter ausgebaut werden.
Herausforderungen im Bereich Arbeitsmarkt und Fachkräftegewinnung
Durch die Nähe zu Luxemburg arbeiten viele Menschen aus meinem Wahlkreis im Nachbarland. Das bringt viele Auswirkungen für die Region mit – positive wie negative. Wir haben eine hohe Wertschöpfung, jedoch ist Wohnraum gerade in Grenznähe vergleichsweise teuer.
Der ohnehin schon existierende Fachkräftemangel wird in der Grenzregion noch verstärkt. Das merken wir beispielsweise besonders stark in den Bereichen Handwerk und Pflege. Luxemburg hat den Markt an Pflegekräften auf unserer Seite der Grenze stark abgegrast. Im Nachbarland ist die Bezahlung besser, die Steuerlast geringer. In diesem Zusammenhang ist es mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Bezahlung allein nicht das Hauptkriterium für die in der Pflege tätigen Menschen ist – gleichwohl aber natürlich ein wichtiger Aspekt. Es spielen Dinge wie Arbeitsbelastung, Wertschätzung und eine gewisse Kontinuität eine wichtige Rolle.
Der „Internationale Rat der Handwerkskammern der Großregion“ hat vor einigen Jahren ein Projekt aufgesetzt, mit dem junge Fachkräfte für das deutsche Handwerk gewonnen werden sollten. Dies schien eine geeignete Maßnahme zu sein, da besonders im französischen Lothringen die Jugendarbeitslosigkeit recht hoch war. Es kamen allerdings nur sehr wenige Vertragsabschlüsse zustande. Als Hauptproblem wurden sprachliche Barrieren, schlechte Möglichkeiten der Mobilität bzw. eine fehlende Bereitschaft zur Mobilität identifiziert. Ein weiterer Punkt ist die teilweise schwierige Anerkennung bereits erfolgter Berufsabschlüsse. Hierzu berät der Rat der Handwerkskammern aktuell und plant, Vorschläge zu machen.
Die in Deutschland ansässigen Handwerksbetriebe, die Aufträge in Luxemburg ausführen, haben teilweise Schwierigkeiten mit dem Entsendegesetz. Seit März 2017 müssen durch die Umsetzung der EU-Entsenderichtlinie in nationales Recht alle ausländischen Arbeitnehmer, die in Luxemburg tätig sind, vorab beim luxemburgischen Arbeitsinspektorat gemeldet werden. Dies gilt auch, wenn es sich um dringende und unvorhersehbare Reparatur- oder Wartungsarbeiten handelt. Wenn ein Unternehmen mehrmals am Tag an verschiedenen Baustellen oder Arbeitsstätten in Luxemburg tätig ist, muss es jede einzelne Entsendung anzeigen.
In den heutigen Zeiten flexibler Arbeitsplatzmodelle müssen wir meines Erachtens im grenzüberschreitenden Arbeitsverkehr auch das Thema „Home Office“ neu denken. Das Thema wurde von einer Teilnehmerin des Bürgerdialogs in Trier am 8. Oktober angesprochen. Deutsche Arbeitnehmer, die in Luxemburg arbeiten, dürfen nur 19 Tage im Jahr von zu Hause aus arbeiten, ohne dass sich dies auf ihre Steuerberechnung niederschlägt. Für belgische Grenzgänger sind dies beispielsweise 24 Tage, für französische 29. Eine Harmonisierung mit den europäischen Partnern wäre eventuell zu prüfen.
Viele solch kleiner Hürden sind es, die in ihrer Gesamtheit Arbeitnehmer und Firmen in der Grenzregion vor Schwierigkeiten stellen – vor allem bürokratischer Natur.
Ich würde mich freuen, wenn Sie diese Punkte im Hinterkopf behalten – auch bei den aktuellen Beratungen zur Fachkräfteeinwanderung aus Drittstaaten. Ich selbst und die Menschen bei uns in der Region begrüßen die Prioritätensetzung der CDU/CSU, zunächst unser heimisches Potential an Fachkräften zu heben und zu sichern, beispielsweise durch Qualifizierung und Anreizstrukturen. Da hieraus der Bedarf voraussichtlich nicht gedeckt werden kann, sollen Fachkräfte aus der EU gewonnen werden. Hier kann aus den Erfahrungen der Großregion sicher einiges mitgenommen werden. Zusätzlich brauchen wir sicher auch Fachkräfte aus Drittstaaten – ein entsprechendes Positionspapier des Kabinetts liegt aktuell vor. Als Vertreter eines Wahlkreises der Grenzregion möchte ich allerdings nochmals ausdrücklich dafür werben, dass die Perspektiven der Arbeitnehmer in und aus der EU dabei nicht aus den Augen verloren werden.
Infrastruktur und grenzüberschreitende Mobilität
Insgesamt gibt es in der Großregion täglich mehr als 219.000 Grenzpendler. Darunter über 70.000 allein nach Luxemburg. Aus meinem Wahlkreis fahren täglich etwa 30.000 Menschen morgens nach Luxemburg zur Arbeit und abends wieder zurück. Das hat erhebliche Auswirkungen auf die nötige Verkehrsinfrastruktur. Prominentestes Beispiel bei uns in der Region ist der Moselaufstieg (B51-Westumfahrung Trier). Er ist im Bundesverkehrswegeplan als vordringlicher Bedarf eingestuft und im Kosten-Nutzen-Verhältnis mit einem sehr hohen Wert bemessen. Die Stadt Trier und der Landkreis Trier-Saarburg haben sich für die Maßnahme ausgesprochen, die Region braucht diese Verkehrsachse. Allerdings blockiert die rheinland-pfälzische Landesregierung die Umsetzung. Der Ball liegt hier aktuell nicht beim Bund, aber dies ist ein weiteres Beispiel, mit welchen Schwierigkeiten Arbeitnehmer in der Grenzregion zu kämpfen haben.
Im Hinblick auf die verkehrliche Erschließung der Region begrüße ich ausdrücklich die Vorstellungen des Bundeverkehrsministers Andreas Scheuer hinsichtlich des Deutschlandtakts, der Trier wieder mittels IC an das Schienenpersonenfernverkehrsnetz der Deutschen Bahn anschließen soll – allerdings erst 2030. Gemeinsam mit den Bürgern in der Region, den Grenzpendlern und den heimischen Unternehmern würde ich mich sehr darüber freuen, wenn Sie sich persönlich für eine frühere Anbindung Triers an das Fernverkehrsnetz und damit an die schnelleren Verbindungen von ICE und TGV auch Richtung Paris einsetzen würden. Diese Forderung nach einer schnellen Schienenanbindung Trier-Luxemburg-Paris wurde auch bereits im Positionspapier der CDU-Landesgruppen Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Saarland „Grenzgebiete werden Herzregionen“ benannt.
Mit ausgezeichneter Hochachtung
Ihr Andreas Steier
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